Geburtsbericht von K2

Heute ist Montag, der 10. Mai 2021. Heute soll er endlich stattfinden, der Kaiserschnitt. Ich bin soo aufgeregt! Um 7:30 Uhr soll ich im Krankenhaus sein, mein Mann wird später angerufen, wenn ich in den OP komme. Dank Corona darf er vorher nicht bei mir sein und hinterher auch nur für zwei Stunden. Die ganzen ersten Tage werde ich alleine mit K2 sein, da mich niemand besuchen darf.

Im Krankenhaus angekommen, muss ich erst mal ein schickes Krankenhaushemd anziehen und bekomme Kompressionsstrümpfe angezogen. Ich liege mit mehreren anderen Frauen, deren OP-Termin auch heute ist, in einem kleinen Raum, per Sichtschutz abgetrennt. Ich hänge am CTG, bekomme Antibiotikum- und Kochsalzinfusion. Es ist SO warm! Die FFP2-Maske, die ich durchgehend tragen muss, erleichtert das Ganze nicht wirklich. Aber ich weiß ja, warum ich hier bin, also durchhalten.

Nach mehreren Stunden ist es endlich so weit, ich werde in den OP gebracht. Auf dem Flur sehe ich schon meinen Mann. Das ganze Team ist gut gelaunt und locker und so fühle ich mich direkt wohl. Das Vorgehen vom KS an sich kenne ich ja schon von K1, nur, dass es dort nicht geplant war. Ich setze mich auf die OP-Liege, das ganze Team um mich herum. Vor mir ein Assistent, der meine Schultern stützt. Ich soll mich gegen seine Hände fallen lassen und mich entspannen. Der Anästhesist startet den ersten Versuch, die Spinale zu legen. Weh tut das überhaupt nicht, ich merke nur ein diffuses, unangenehmes Gefühl, als er mit der Nadel auf dem Knochen landet. Nächster Versuch. Und nächster. Und nächster.

Langsam werde ich nervös. Warum klappt das nicht? Der Oberarzt wird dazugeholt und auch er braucht einige Versuche. Nach 15 (!) Versuchen merke ich endlich, dass alles ganz warm wird. Plötzlich wird mir schwindelig – darauf wurde ich vorher vorbereitet. Ich bekomme ein Mittel gespritzt. Die Ärztin ist toll, sie sagt: „Kämpfen Sie nicht dagegen an. Machen Sie die Augen zu und lassen Sie sich in das Gefühl reinfallen, wir haben Sie.“ Gesagt, getan. Ich bin wieder da und merke, wie der erste Schnitt gesetzt wird. Auch das tut nicht weh. Anschließend wird die Haut in alle Richtungen gezogen, das ist etwas unangenehm, aber ebenfalls schmerzfrei.

Und dann um 13:54 Uhr ist K2 da! Ich merke sofort, dass etwas nicht stimmt. Er schreit nicht und wird direkt rausgebracht. Ich weiß, dass er nach der Geburt überwacht werden soll, da ich Antidepressiva nehme, aber das sollte eigentlich nur eine Vorsichtsmaßnahme sein. Ich werde immer nervöser und sage zu meinem Mann „Sie bringen ihn nicht wieder! Warum nicht?! Er sollte doch zu mir gebracht werden!“. Mein Mann geht nachschauen, während ich genäht werde. Währenddessen beruhigt mich das OP-Team. Die Kinderärztin ist da und kümmert sich, mein Mann darf bei ihm sein.

Als ich in den Raum von vorher zurückgebracht werde, ist K2 immer noch nicht da. Mein Mann ist alleine. Er hat Probleme beim Atmen und braucht Atemunterstützung. Ich breche in Tränen aus. Bin ich schuld wegen der Medikamente? Weil ich den KS-Termin aus psychischen Gründen so früh gelegt habe? Zwischendurch kommt eine Schwester und hält uns auf dem Laufenden. K2 nimmt die Atemunterstützung nicht an, Intensivstation ist im Gespräch. Dann kommt auch schon die Kinderärztin zu uns. „Ich habe noch eine letzte Idee, die wir ausprobieren könnten“, sagt sie. „Ich bringe Ihnen Ihr Baby und Sie legen es nackt auf sich und kuscheln einfach mit ihm“. Und dann ist K2 da! Er ist so perfekt. Es hat sich alles so gelohnt. Wir kuscheln. Wenig später kommt die Ärztin wieder und gibt Entwarnung. Er atmet plötzlich ganz normal, ohne Aussetzer. „Sie können stolz auf sich sein, Sie haben Ihr Baby gerade vor der Intensivstation bewahrt!“, sagt sie.

Trotzdem muss er überwacht werden. Eigentlich dachte ich, er darf mit mir im Zimmer sein, aber jetzt stellt sich heraus, dass er im Überwachungszimmer liegen muss. Ich werde völlig panisch. Ich wollte mit K2 doch alles nachholen, was ich bei K1 nicht konnte! Ich wollte mit ihm kuscheln, immer in seiner Nähe sein. Und jetzt geht das einfach nicht?! Wenigstens darf ich ihn besuchen, wann immer und solange ich will.

Vier Stunden nach der OP will ich das erste Mal aufstehen. Ich will zu meinem Baby! Mithilfe der Schwester schaffe ich es bis zum Rollstuhl, der direkt neben meinem Bett steht. Mir ist alles egal, Hauptsache er fühlt sich nicht alleine! Und da ist er. Liegt selig schlafend in seinem Bettchen. Ich darf ihn rausnehmen und mit ihm kuscheln. Die Kabel nerven, mein Bauch tut weh und mein Kreislauf macht noch Probleme, aber trotzdem sitze ich stundenlang mit ihm im Sessel. Als ich ihn wieder abgeben muss, bricht es mir fast das Herz. Er soll doch immer bei mir sein! Die Schwestern versprechen, mich zu holen, wenn er sich nachts nicht beruhigen lässt und so versuche ich, etwas Schlaf zu bekommen, was auch erstaunlich gut klappt.

Am nächsten Tag kann ich schon selber laufen. Der Kathether wird gezogen und von da an muss ich sowieso regelmäßig aufstehen. Zum Glück erholt sich mein Körper super schnell, das war bei K1 auch so. Nach 36 Stunden vergesse ich das erste Mal, meine Schmerzmittel zu nehmen und lasse sie dann direkt ganz weg. Natürlich habe ich noch Schmerzen, aber aushaltbar. Nach einer Woche merke ich überhaupt nichts mehr vom Kaiserschnitt. Und auch meiner Psyche geht es gut. Ich habe mein Antidepressivum vor der Geburt noch mal erhöht, wodurch ich jetzt nicht mal einen Babyblues habe. Und ich fühle etwas, das ich bei K1 nie gespürt habe: Ich bin stolz! Stolz darauf, dass ich drei Tage ganz alleine im Krankenhaus war, mit K2, der ungeplant nicht bei mir sein konnte, mit all den Schmerzen, den Sorgen, den Ungewissheiten. Und der Liebe in mir zu meinen Kindern.

Dieses Geburtserlebnis hat unglaublich viel wieder gut gemacht und ins richtige Licht gerückt. Auch wenn das natürlich nicht K2s „Aufgabe“ war, aber es ist einfach passiert. Rückblickend kann ich mich mit der Geburt von K1 ein bisschen versöhnen und meine Gefühle zu mir selbst geraderücken.

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