Das Nein-Gefühl: Die Wut begleiten

K1 lässt den Tag momentan gerne spätestens um 5 Uhr beginnen. Und als wenn das nicht schon anstrengend genug für uns alle wäre, ist seine Laune dabei einfach nur unterirdisch. Ich wusste, dass die Autonomiephase kommen und dass sie Wutanfälle mitbringen würde. Ich habe so viel zu dem Thema gelesen, dass ich in der Theorie perfekt weiß, wie man sie richtig begleitet. Und trotzdem klappt es nicht. Nicht immer. Und schon gar nicht morgens um 5 Uhr.

„Ich will einen Joghurt essen!“
„Klar, kein Problem, lass uns in die Küche gehen.“
„Neeeeiin, ich will keinen Joghurt!!!“
„Auch ok, dann überleg dir doch in Ruhe, ob du etwas anderes möchtest.“
„Aber ich will Joghurt! JOGHURT! JOOOGHURT!!!!“

Zu diesem Zeitpunkt lag er schon kreischbrüllend auf dem Sofa, trat nach mir und war wie von Sinnen. Und ich war genervt und müde. Und pflaumte ihn an: „Entscheide dich halt mal, was du willst, das ist mir hier echt zu anstrengend mit dir!“. Als die Worte raus waren, setze mein Hirn wieder ein. Verdammt, das war doch genau die fehlende Impulskontrolle, die ich nicht mehr wollte! Währenddessen schrie K1 immer weiter „JOGHURT!!!“ in den verschiedensten Tonlagen von wütend bis traurig.

Ich wollte es doch anders machen. Also atmete ich tief durch und sprach in ruhigem Tonfall (der mir in dem Moment unglaublich viel abverlangte) mantraartig gegen das Gebrüll an: „Du fühlst gerade einfach nur „nein“, oder? Das ist ganz blödes Gefühl, das Nein-Gefühl, ich weiß. Aber leider ist das manchmal einfach so. Brüll es einfach alles raus, das hilft.“ K1 tobte und schrie weiter, während ich die Sätze noch ein paar Mal wiederholte – eher zu meiner eigenen Beruhigung als zu seiner.

Und nach ein paar Minuten wurde es plötzlich still. „Mama?“, sagte er ganz leise und verheult. „Ich bin jetzt fertig, alles Nein ist rausgebrüllt.“ Ich setzte mich zu ihm und fragte, ob er kuscheln mag. Er nickte. Als er in meinem Arm lag, fiel auch meine Anspannung ab und ich erklärte ihm, dass Gefühle manchmal einfach plötzlich da sind und man oft gar nicht weiß, warum. Dass ich das selber auch kenne und dass es guttut, alles rauszulassen. Und dass ich das ganz toll fand, wie er das gemacht hat. Von dem Moment an war K1 wie verwandelt. Gut gelaunt und freudig aß er seinen Joghurt, während wir am Küchentisch rumblödelten.

Diese Verwandlung (in beide Richtungen) ist so extrem und bemerkenswert, dass es mich manchmal immer noch überfordert. Aber seine Reaktion zeigte mir auch diesmal, wie wichtig es ist, sein Kind in Wut/Frust/Trauer zu begleiten. Seine Gefühle zu spiegeln und ihn ernst zu nehmen. Auch wenn es so viel Überwindung kostet, gegen seinen eigenen Impuls anzugehen. Aber es lohnt sich so sehr.

Schreibe einen Kommentar