Mein Kind, ein Tyrann?!

Aktuell steht bei uns alles kopf. Ich lag mit Fieber flach und bin noch ziemlich schlapp, K2 ist verschnupft und nörgelig, mein Mann ist auch erkältet und K1 hustet, weshalb wir ihn vorsichtshalber diese Woche zu Hause lassen. Gestern war meine Mutter zur Unterstützung da. K1 war völlig überdreht. Seit 5 Uhr wach, wollte nicht rausgehen, rastete wegen jeder Kleinigkeit bis ins Bodenlose aus. Überschritt unsere Grenzen, biss mich, leckte mir ins Gesicht, haute und trat. Wir taten wirklich, was wir konnten, ich habe ihm fiebernd Bücher vorgelesen, mein Mann hat mit ihm getobt, er durfte lange Tablet schauen. Trotzdem forderte er jede Sekunde unsere Aufmerksamkeit und wir konnten einfach irgendwann nicht mehr. Er weigerte sich, kurz alleine Duplo zu spielen, obwohl wir direkt daneben saßen. Holte ein Spielzeug nach dem anderen, um es nach 30 Sekunden nicht mehr zu beachten. Wollte immer das haben, was das Baby gerade hatte. Es war SO anstrengend. Ja, bedürfnisorientert achtet auf die Bedürfnisse aller – das ist aber schlichtweg nicht möglich momentan, weil unsere Bedürfnisse so krass kollidieren.

Und ja, ich habe ihn angeschrien, mehr als einmal. Und es war so ein unglaublich blödes Gefühl, zu merken, dass die Impulskontrolle einfach noch weniger existent ist als sonst schon. Und trotzdem tat es irgendwie sogar gut. Der Schlafmangel, die Erkältung und das Fieber haben mir einfach den Rest gegeben. Trotzdem natürlich keine Entschuldigung. Meine Mutter mischte sich irgendwann ein und „befahl“ mir, mich mal zu beruhigen, er könne ja nichts dafür. Er sei ja schließlich erst drei Jahre alt und könne das alles noch nicht verstehen. Das war der Moment, in dem ich innerlich platzte. „Du warst doch früher genauso zu mir!!!“, brüllte ich in Gedanken. „Wieso nimmst du IHN jetzt in Schutz? Warum konntest du das damals bei MIR nicht???“ Meine Wut auf K1 wuchs. Dabei war ich gar nicht auf ihn wütend, sondern auf sie. Und auf mich, weil ich es an ihm ausließ. Ich wollte es doch besser machen! Ich war schon auf einem so guten Weg, und jetzt ist wieder alles dahin. Ich bin nur noch am Schreien und Diskutieren – mit einem Dreijährigen! Wir liefern uns so erbitterte Machtkämpfe, als wäre ich selbst wieder drei Jahre alt.

Irgendwann fiel sogar meiner Mutter auf, dass es heute aber BESONDERS schlimm sei mit K1. „Er ist ja schon ziemlich tyrannisch.“, merke sie an. Da war es, das Wort. Tyrannisch. Mein Kind, ein Tyrann?! Ja, ich habe dieses Wort selbst schon so oft gedacht, der alten Muster sei Dank. Aber SIE nimmt sich heraus, mein Kind SO zu bezeichnen? Am liebsten hätte ich sie in dem Moment vor die Tür gesetzt, obwohl ich weiß, dass es für sie (und viele andere) „nur“ ein Begriff für sehr wilde oder gefühlsstarke Kinder ist. Obwohl ich weiß, dass es auch nur ihre eigenen, alten Muster sind, die für diese Äußerungen sorgen. Wie oft hat sie mir in den letzten Jahren erzählt, ich sei BESONDERS bockig gewesen als Kind. Mittlerweile glaube ich, ich war einfach ganz normal.

Ich bin keine gute Mutter momentan. Ich laufe auf Sparflamme, ich bin am Ende meiner Kräfte. Ich weiß, dass ich mich „im Griff“ haben muss, dass ich nicht schreien darf, dass ich seine Kinderseele damit dauerhaft verletze. Ich bin die Mutter, die ich nie sein wollte.

Schreibe einen Kommentar